Giardini di Milano
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Ars Topiaria – hohe Gartenkunst seit der Antike

Formgehölze in ihrer oft majestätischen Formgebung erfreuen sich ungebrochen großer Beliebtheit. Wie der Name schon sagt, werden Formgehölze im weitesten Sinne künstlerisch durch bestimmte Kulturverfahren und Schnitttechniken häufig über mehrere Dekaden bzw. Dezennien aufwändig und virtuos geformt. Es gibt dabei geometrische Formen, wie beispielsweise Kugeln, Pyramiden, Kegel,Säulen, Würfel, Schirmform-Stämme, aber auch Phantasieformen oder Nachbildungen bestimmter Gegenstände oder Tiere.
Dieser virtuose Formschnitt wird auch Topiary genannt – abgeleitet vom griechischen Wort tópos, was für Ort oder Landschaft steht und uns heute unter dem Begriff Topografie geläufig ist. Im Lateinischen wird die Bezeichnung „topiarius“ für „Kunstgärtner“ und „ars topiaria“ für „Gartenkunst“ abgeleitet
Innenstadt Der Formschnitt von Gartenpflanzen hat eine lange Tradition die bis weit in das Altertum reicht. Man weiß beispielsweise aus Grabmalereien dass sich die Ägypter, Perser, Griechen und Römer bereits vor mehreren Tausend Jahren schon mit dem Pflanzen-Formschnitt in den Gärten der Herrscher, oder wohlhabenden Familien beschäftigten.
Insbesondere in der Renaissance haben die Architekten und Baumeister bei Schlössern, aber auch größeren parkähnlichen Villengärten vermehrt streng geometrisch angeordnete Gestaltungselemente geschaffen. Da an den Höfen französisch gesprochen wurde, haben auch die Gärtner französische Bezeichnungen für ihre kunstvollen Gestaltungselemente verwendet. Neben den exakten Beetformen dienten auch die geschnittenen Formgehölze als ausdrucksstarke Strukturelemente. Beete – sogenannte „parterres“ wurden mit niedrig geschnittenen Hecken umpflanzt. Es gab bepflanzte Beete mit Küchenkräutern die als „potager“ bezeichnet wurden, Arzneipflanzen wurden im „medicinal“ gepflanzt und Blumenbeete nannte man „bouquetier“.
Einen Entwurf eines Parterres verglich der französische Schriftsteller Olivier de Serres (1539-1619) mit dem Werk eines Malers.
Diese Art der Garten- und Parkgestaltung in Schlössern und Villen wurde um das 16. Jahrhundert in vielen Ländern Europas angewendet. Neben Frankreich, beispielsweise auch in England und ganz besonders in Italien. In vielen Gärten berühmter italienischer Familien wurde der kunstvolle Pflanzenformschnitt in dieser Zeit praktiziert. Bekannte italienische Gärten sind beispielsweise die Gärten der Villa d´Este, der Villa Lante, der Villa L Petraia,, der Villa Medici (Poggio a Caiano) oder der Giardion Giusti. Ein bekannter Architekt jener Zeit war Leon Battista Alberti, der im Jahr 1459 für die toskanische Villa Quaracchi der Familie Ruccellai zahlreiche Formgehölze entwarf - in Schnittformen wie Kugeln, Säulen, Vasen, Tempel, aber auch Tierformen, Menschengestalten, bis hin zu kirchlichen Würdenträgern.
In Deutschland entstand von 1614 bis 1619 im Schlossgarten Heidelberg der erste bekannte deutsche Renaissance-Garten – Hortus Platinus – nach einem Entwurf von Salomon de Caus.
Das 17. Jahrhundert war stark von den prunkvollen Stilelementen des Barock geprägt. Vorreiter und Hauptexponent der barocken Stilelemente beispielsweise in Kunst und Bauwesen war Italien. Vorbild für einen prachtvollen Barockgarten-Stil war in Europa aber die 1661 vom französischen König Ludwig XIV in Auftrag gegebene Gartenanlage für das Schloss (Château) Versailles, das auch noch heute zu den größten und prächtigsten Gartenanlagen der Welt zählt und als ein Gesamtkunstwerk und integraler Bestandteil der Schlossanlage gilt. Der berühmte Landschaftsarchitekt und Hofgärtner André Le Nôtre entwarf für den König einen geometrisch perfektionierten Garten der unter anderem mit geschnittenen Formgehölzen, wie beispielsweise Eiben, Hainbuchen und Buchsbaum, mit Baustoffen wie Steinen und Holz, aber auch mit Wasserflächen, Brunnen und Wasserspielen gestaltet wurde. In der über 40jährigen Bauzeit wurde durch strenge geometrische Formen, Linien, Arabesken (Rankenornamente), Palmetten (Ornament in Fächerblattform) und 386 Blei-, Bronze und Marmor Skulpturen, Perspektiven und Harmonie geschaffen.
Es entstanden Lustgärten, die auch Broderien genannt wurden und deren Form und Wegeführung durch Umfassungen mit verschlungenen Arabesken und Voluten (spiralförmige Stilelemente) zwischen farblich abgesetzten Kiesen geprägt sind.
Beim Bau der Gartenanlagen wurden Bäume aus ganz Frankreich herbeigeschafft.
In der Orangerie – erbaut von Louis Le Vau - sind heute über 1.000 Bäume in dekorativen Pflanzgefäßen zu bewundern mit den Lieblingsorangenbäumen von König Ludwig XIV. sowie Zitronen-, Oleander-, Granatapfel-, Oliven- und Palmenbäumen.
In Deutschland ist um 1666 mit dem großen Garten in Hannover-Herrenhausen einer der bekanntesten deutschen Barockgärten entstanden, der auch heute noch in der ursprünglichen Größe und Gestalt erhalten ist. Die Gartenanlage der Sommerresidenz für Sophie - Ehefrau von Fürst Ernst August von Hannover - sollte mit Barockparterren, Buchsbroderien, Rasenfeldern im Wechsel mit Kiesbändern den barocken Prunk des Schloss Versailles und seiner Gartenanlage imitieren. Beauftragt war der Gartenbaumeister Martin Charbonnier – Schüler von André Le Nôtre wie auch Dominicue Girard, der wiederum für die architektonische Gestaltung der Gärten von Schloss Augustusburg in Brühl, Schloss Nymphenburg in München, Schloss Schleißheim bei München und Schloss Belevedere in Wien beauftragt wurde.
In den Jahren 1744 bis 1764 wurde mit dem Rokoko-Lustgarten des Schloss Sanssouci (von französisch sans souci = ohne Sorge) in Potsdam – dem Sommerschloss von König Friedrich (II) dem Großen – eine weitere bedeutende deutsche Schloss-Parkanlage geschaffen worden. In dieser Zeit wurden auch der terrassierte Weinberg, die Marmorkolonnaden und das chinesische Teehaus gebaut. Ein berühmtes Zitat von Friedrich dem Großen lautet: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“ Es steht für die Kultur Friedrich des Großen – aber auch sinnbildlich für die Baugestaltung des Schloss Sanssouci.
Im 19. Jahrhundert wurde die Parkanlage durch König Friedrich IV unter Beteiligung der Landschaftsarchitekten – Peter Joseph Lenné und Hermann von Pückler-Muskau erweitert. Bereits im 18. Jahrhundert mit dem Beginn der Romantik verloren die streng geordneten Barockgärten und die Formschnittgehölze an Bedeutung, und die englischen Landschaftsgärten mit ihrer natürlichen wilden landschaftsbezogenen Orientierung hielten in die Gartengestaltung zunehmend Einzug. Im 19. Jahrhundert wurden die Gestaltungsstile vermischt, also einerseits streng geometrische Stilelemente gestaltet und andererseits der natürliche Wuchs der Gehölze, sowie die landschaftsnahe Gestaltung kombiniert. So ließ beispielsweise der Earl of Barrington in Elvston Castle, Derbyshire Mitte des 19. Jahrhunderts einen großen viktorianischen Garten anlegen, der mit riesigen Topiary Figuren, wie beispielsweise Vögel-Formen und einer Hecke aus mehrere Meter hohen Eiben gestaltetwurde. Es wird berichtet, dass beim Transport der Großbäume durch die Stadt Derby teilweise Fenster links und rechts der Straße zerbrochen sind. Dieser Schlossgarten wurde damals durch den englischen Adel häufig zum Vorbild genommen.
Auch im 20. Jahrhundert setzten sich die formal gestalteten Gärten, aber auch die Mischformen weiter durch. Die Gartengestalter Edwin Lutyens und Reginald Blomfield verteidigten die Kunst des Formschnitts – sowie zeitweise auch die Autorin und Gartengestalterin Gertrude Jekyll. Auch heute im 21. Jahrhundert erfreuen sich Formgehölze aller Art großer Beliebtheit. Häufig werden heute auch die sogenannten Gartenbonsai als einzelne repräsentative Stil-Formelemente in ansonsten natürlich gestaltete Gartenanlagen integriert.
Eines der meist verwendeten Formgehölze war in den vergangenen Jahren der Buchsbaum, dessen Nachfrage aber stark rückläufig ist, aufgrund des häufigen Befalls mit dem Schlauchpilz Cylindrocladium buxicola und dem Befall durch den eingewanderten Buchsbaumzünsler - einer Schmetterlingsart – und dessen massive Fraßtätigkeit seiner entwickelten Raupen an den Buchbaumblättern.
Weniger bekannt unter den Formgehölzen sind Kiefern-Hochstammbäume in Pinienform, die besonders ausdrucksstark mediterranes Flair in Gartenanlagen nördlich der Alpen zaubern können. Die verwendeten Kiefernarten, wie beispielsweise Pinus sylvestris und Pinus nigra nigra, sind dabei winterhart und relativ unkompliziert in der Pflege. Es müssen lediglich möglichst regelmäßig einmal jährlich die Kiefern-Triebkerzen im Frühjahr, bevor sich die neuen Nadeln entfalten, entsprechend der gewünschten Topiary-Form gekürzt werden.

Dazu passend ein Wikipedia-Auszug aus 03/21 zum Themenbegriff Ästhetik:
„Klassik Italien
Die klassizistische Kunsttheorie Italiens seit der Hochrenaissance fasste G. P. Bellori (um 1615–1696) zusammen. Er ging von christlich-neuplatonischem Gedankengut aus, wenn er die vollkommensten Urformen (Ideen) bei Gott sah, denen die Künstler nahekommen, indem sie „in der Vorstellung einen Begriff höherer Schönheit ausbilden“ und durch „die Idee das Naturschöne zur Vollkommenheit“ formen. Zugleich soll er der fortgeschrittenen Entwicklung folgen und verschiedene Arten von Schönheit anerkennen. In Belloris Schriften wird die verstärkte Vertrautheit mit dem ästhetischen Denken von Aristoteles sichtbar, um dessen Mimesisbegriff er sich bemüht, allerdings nicht über den zeitgenössischen Widerspruch von Naturnachahmung und „naturüberwindender Verschönerung“ (M. Fontius) hinausgelangt. Erst im 18. Jahrhundert wird man sich des Unterschiedes zwischen „Mimesis“ und „Nachahmung“ bewusster. Neuaristotelisch ist bei Bellori auch die Reflexion über Wahrscheinlichkeit. Die absolutistische Durchregelung des Lebens beeinflusste die Kunstprozesse. Sie äußert sich in künstlerischen Vorhaben, wo ein Hauptmotiv alle anderen Elemente beherrscht. Nach diesem Gesichtspunkt wurden mathematisch strenge (rationale) Formen eingesetzt (z. B. die extrem axiale und spiegelgerechte Symmetrie absolutistischer Schlossanlagen wie Versailles, die analoge künstlerische Ordnung des barocken Gartens, besonders des französischen).“ (Autor/in nicht zuzuordnen)